ÜBERLEBT
Menschenbilder – Lagerbilder
Ein Foto- und Textband
Bibliothek der Provinz
Verlag für Literatur, Kunst und Musikalien
A-3970 Weitra, Großwolfgers 29
ISBN 3 855252 255 2
204 Seiten (Duotone), 29/31cm
Eine Fotodokumentation mit Porträts ehemaliger KZ-Häftlinge und Bildern aus verschiedenen Konzentrationslagern (Deutschland, Österreich, Polen und Tschechien).
Das Projekt wurde in den Jahren 1996 – 1999
realisiert und in Form eines Foto- und Textbandes publiziert.
Der Bildband wurde vom Hauptverband des österreichischen Buchhandels auf Vorschlag einer Jury in die Reihe der 12 schönsten Bücher Österreichs 1999 aufgenommen. Der Schutzumschlag ist zudem als einer der fünf schönsten Schutzumschläge Österreichs 1999 ausgewählt worden.
Zum Buch gibt es auch eine Ausstellung mit Originalfotografien
Am 12. Dezember 1940 wurden wir in Straßburg von der Gestapo in Züge verladen und fuhren nach Österreich – ins KZ nach Mauthausen. Der Kommandant hat scheinbar immer das Gleiche zu den Neuankömmlingen gesagt, denn er sagte: “Bei diesem großen Tor seid ihr hereingekommen, und bei diesem kleinen Kamin,” er hat auf das Krematorium gezeigt, “kommt ihr heraus!” Ein Kamerad ist neben mir gestanden, und zu dem habe ich gesagt: “Das werden wir schon sehen!” Ich habe gar nicht gewußt, wo ich überhaupt bin; es hat eine Woche gedauert, bis ich gewußt habe, wo ich gelandet bin.
FRANCISCO COMELLAS LINARES 17. Juli 1997
PRESSESTIMMEN
Gegen das Verdrängen
Richard Pils ist ein Kämpfer gegen das Vergessen, das Verdrängen. Er kämpft mit Büchern dagegen an, die zuweilen in ihrer Ästhetik auf den ersten Blick fast die Botschaft zur Seite zu schieben scheinen, die sie vermitteln wollen. Auf den zweiten Blick wird die Ästhetik zum Vehikel eben dieser Botschaft. Bücher die zu den schönsten und bewegendsten gehören die im Land in letzter Zeit produziert wurden: “ÜBERLEBT” – Menschenbilder / Lagerbilder – von Kurt Hörbst.
Der Empfänger der oberösterreichischen Talentförderungsprämie 1998 für künstlerische Fotografie suchte nach Überlebenden von Auschwitz, Treblinka, Mauthausen, Theresienstadt, Dachau usw., usw. Lässt sie zu Wort kommen, lässt ihre Gesichter zu aufgewühlten Landschaften der Erinnerung werden – und fotografierte dazu das, was noch da ist von diesen Vorhöfen zur Hölle. Er lässt die Dinge sprechen, ohne ihnen etwas Künstlich-Künstlerisches zu unterlegen in Auschnitt oder Perspektive. Gerade dadurch verströmen die Bilder ein Todes-Schweigen, das heute noch unmittelbar kalt macht im Herzen.
OÖ Nachrichten, Reinhold Tauber, 1999
Buchtipp “Überlebt”
Der junge oberösterreichische Fotograf Kurt Hörbst hat in den großen Konzentrationslagern, die während der Nazi-Zeit bestanden, fotografiert. Die Bilder der “stummen Zeugen” ergänzte er mit Interviews noch lebender Zeitzeugen. Sie erinnern sich an die Grauen des KZ und auch an das Weiterleben nach dem Krieg.
So ist ein spannungsreiches und anrührendes Buch entstanden. Es wird selbst zu einem notwendigen Zeugen eines wichtigen Kapitels unserer Geschichte und seiner Rezeption durch einen jungen Menschen von heute. Die aufwendig gedruckten Bilder sowie die sorgfältige grafische Gestaltung unterstreichen den Wert des Werkes.
Welt der Frau, Christine Haiden, 1999
Die Sprache der Überlebenden
(…) Hörbst hat drei Jahre lang ehemalige Konzentrationslager fotografiert und die Fotos mit langen Passagen aus Gesprächen mit Überlebenden, die in wunderbar konzentrierten Portraitfotos vorgestellt werden, zusammengestellt. Auschwitz, Auschwitz-Birkenau, Buchenwald, Dachau, Mauthausen, Ravensbrück. Wie fotografiert man diese Orte? Hörbst hat sich für einen zurückgenommenen, fast meditativen Blick entschieden. Trotzdem besteht immer die Gefahr, daß “schöne Fotos” entstehen. Haben nicht Fotos von funktionslos gewordenen verfallenden Nutzbauten immer ihren eigenen Reiz? Hörbst hat es sich nicht leicht gemacht.
Er versucht, die Bedeutung dieser Orte auch in der Gegenwart festzuschreiben. Obwohl die verlassenen Lager durch die Distanz der Zeit von dem Grauen des tatsächlichen täglichen Gebrauchs abgehoben sind, will jedes Foto ein Mahnmal sein. Die Blicke in leere Barackenräumen, auf Appellplätze und Zuggleise sind zu indexalischen Zeichen geworden: Sie stehen für eine staatlich institutionalisierte Mordmaschinerie, die jenseits jeder verbalen oder bildlichen Beschreibung liegt.
Erschreckenderweise ist sie am ehesten in Zahlen dokumentierbar (…) Hörbst stellt den Fotos der Unorte die Stimmen der Überlebenden entgegen. So werden sie zu Projektionsflächen von gelebter Erfahrung, aus der historischen Distanz geholt und aktualisiert (…)
Auszüge aus dem Standard Artikel “Die Sprache der Überlebenden”
Birgit Flos, 1999
Überlebt
Ein großartiger neur Bildband aus dem Verlag “Bibliothek der Provinz”, dazu eine sehenswerte Ausstellung im Schloß Weinberg. Unter dem Titel “Überlebt ” hat der Fotograf Kurt Hörbst eine feinfühlige Dokumentationanhand der Gegenüberstellung verschiedener Konzentrationslager und Überlebender des Holocaust geschaffen. Hohe Eindringlichkeit durch Unaufdringlichkeit – eine schöne Leistung.
OÖ Nachrichten, 1999
Überlebt
“Im vollen Bewußtsein, dem Thema ob seiner Dimension nicht gerecht werden zu können, begann ich das Projekt. Zu Beginn wußte ich nicht,
wohin mich diese Arbeit führen, beziehungsweise, wie sie sich entwickeln würde und letztendlich darstellen ließe. Nach fast drei Jahren Arbeit kann und soll diese Publikation nur einen Versuch oder eine Skizze darstellen.” Mit diesen Sätzen kommentiert der 1972 in Apfoltern geborene Fotograf und Lehrer an der Prager Fotoschule sein großformatiges 202 Seiten starkes Werk. Sein Blick richtet sich auf ein – wahrscheinlich das – zentrale Ereignis des zuende gehenden Jahrhunderts – Auschwitz.
Ein Blick von und für uns “Nachgeborene(n)”? Spurensuche in Europa, dessen Länder und Völker wie in keinem Jahrhundert durch Mord und Barbarei zum Opfer fielen? Zeugnis abzulegen über das Erlebte wurde für alle, die überleben konnten zum wichtigsten Motiv, um weiterzuleben. Vielen Berichten aus deutschen KZ’s unterliegt die uns oft unverständliche Grundhaltung von Schuld, überlebt zu haben. Jeder der Überlebenden hat 10, 100 oder gar mehr Kameraden sterben sehen, hat überlebt,
während (manchmal weil) andere sterben mußten. Wie kann man den Bericht gemäß der Inschrift über Dantes Höllentor aufnehmen und vermitteln: “Ihr, die ihr hier eintretet, lasset alle Hoffnung fahren”? Es gäbe keine Hoffnung mehr und Vergessen machte sich breit, wenn nicht die Erinnerung an die Opfer lebendig bliebe – ein Gebot schon deshalb, weil ohne dieses die Mörder wirklich gesiegt hätten. Auschwitz, Birkenau, Majdanek, Mauthausen, Theresienstadt, Dachau, Sachsenhausen, Ravensbrück, Buchenwald, Flossenburg sind abgebildet, fotografisch dokumentiert, en detaile, als Fragment, als Ruine, als Zeugnis, als Symbol. Fotografie als Kunst macht es dem Betrachter leichter, als manche Künstlichkeit und Nüchternheit wissenschaftlicher Dokumentation, sich dem Grauen zu nähern. Geglückt konnte die auf uns oft distanzierend wirkende Schablone herkömmlicher ritualisierter Ikonen vermieden und überwunden werden, durch die manche Gedenkstätten ihr Anliegen dokumentieren. Hier gilt endlich einmal nicht die unendlich große Zahl, die Anonymität, das System. Hier wird individueller Zugang erleichtert. Die persönliche Botschaft des Fotografen ist das eine. Das andere ist die Biographie mit Bedacht ausgewählter Zeitzeugen, Opfer und Überlebender, Anwälte ihrer toten Leidensgefährten. Sie sprechen durch ihr Portrait und sparsamen Aussagen: Dagmar Ostermann, die in Wien lebende Jüdin, Karl Stojka, der in Wien lebende Roma, DDr. Ella Lingens, die in Wien lebende Ärztin und Juristin,
Fritz Kleimann, ein in Wien lebender Jude, Hilde Sobot, die bei Wien lebende Jüdin, Elisabeth Böcklinger, die bei Linz lebende Frau,
Franz Willinger, der bei Linz lebende Kommunist, Marko Feingold, der in Salzburg lebende Jude, Francisko Comellas Linares, ein in Linz lebender Spanier, Hans Landauer, der in Wien lebende Exkommunist, Dr. Franz Danimann, der in Wien lebende Sozialist, Norbert Lopper, der in Wien lebende Jude. Wilhelm Gugig, der in Wien lebende Jude, Leopold Engleitner, der bei Bad Ischl lebende Zeuge Jehovas, Johann Steinbock, der in Steyer lebende Pfarrer. Unmittelbar vor seiner nicht mehr erwarteten Befreiung aus einem Außenlager Buchenwalds Langenstein-Zwieberge schrieb H. G. Adler seinen Gedichtszyklus “Das ist das Ende”: Urwelt der Träume … O, über mich!, Ausgeschüttet Über mich Armen, Der ich verlassen Wankend stehe Im Nacht-Gedächtnis Dieser verwirkten Welt In erstarrt erstarrender Wirklichkeit! – Adler widmete sich – wie keiner vor ihm und auf diesem Niveau wenige nach ihm – mit seinem wissenschaftlichen Oeuvre bis zu seinem Lebensende 1988 der Analyse des nationalsozialistischen Lagersystems, in seiner Lyrik dem Erleben und Erleiden, der Erinnerung und Schuld, dem Zweifel und der Hoffnung. Die Botschaft des uns nun vorliegenden Buches ergänzt Adlers dichterische und wissenschaftliche Möglichkeit, mit einem Jahrhundert- und Menschheitsereignis zurechtzukommen, für das Worte, Gesten und Einfühlungsvermögen oft genug fehlen. Der “Versuch” von Kurt Hörbst scheint mir gelungen, insofern er nicht den Anspruch erhebt aber die Möglichkeit eröffnet, Erinnerung als immer fragmentarisch aber dennoch evident nachvollziehbar zu machen. Dem Verleger Richard Pils sei Dank und Zuspruch gesagt, sich mit dieser Edition etwas außerhalb seiner
Themen der “Bibliothek der Provinz” zu bewegen. Diesem hier zu würdigenden Buch sind Leser in allen deutschen vielleicht sogar europäischen Provinzen Betrachter und Leser zu wünschen. “Überlebt. Menschenbilder – Lagerbilder” erhielt 1999 die Auszeichnungen “Schönste Bücher Österreichs” und “Schönster Buchumschlag Österreichs”.
W. Rimpau, Gesellschaft für politische Aufklärung, 1999